Felix – Ich, wie es wirklich war

Zur Europawahl

Posted in Der tägliche Wahnsinn, Kultur, Medien, Politik by Felix on Juni 7, 2009

Der Jugend wird von älteren Semestern ja häufig vorgeworfen, sie sei verroht, sie habe keine Werte, sie sei im Großen und Ganzen der Sargnagel des ohnehin dem Untergang geweihten Abendlandes. Immer wieder hört man dann wiederum, dass das nun mal schon immer so war, dass auch zu Platos Zeiten schon die Jugend gescholten wurde und wir heute dennoch long and prosper leben. Auch Jesus durfte sich womöglich von seinem unleiblichen Vater Josef höhnische Bemerkungen zu seiner Frisur gefallen lassen und sich anhören, wie sehr er der Familie und dem Judentum doch schade.

Doch nun, bei der Europawahl, was seh ich da auf dem Stimmzettel? Zwei Jugendparteien, die Party für alle fordern? Nein. Die Anarchische Adoleszenzpartei, die die Schulen abschaffen will? Nein. Die Piratenpartei, die das Urheberrecht einstampfen will, um die Jugend zu entkriminalisieren? Zugegeben. Aber darüberhinaus? Ganze vier Parteien, die sich einzig und allein den Interessen von Rentnern widmen! Die Grauen, 50Plus, die RRP (Rentnerinnen und Rentner Partei) sowie die Rentner-Partei Deutschland buhlen um die Stimmen der Generation Ü-50.


„Uns geht es soooooo schlecht!“

Was fordern diese Parteien nun? Bequemere Parkbänke? Mehr Zeit für ihre Enkel? Nein. Die Alten waren auch mal jung, verroht und wertfrei, und fordern das, was auch der profanste Idiot noch fordern würde: mehr Geld. „Das Geld ist für die Banken frei, an uns Rentnern geht’s vorbei.“ Da nagen ganze Alterskohorten am Hungertuch und die EU schaut tatenlos zu, während Milliarden in den Erhalt eines Systems gepumpt werden, mit dem sie doch gar nichts zu tun haben, die Alten. Denken sie jedenfalls offensichtlich. Doch woher kommt die Rente eigentlich? Das weiß jeder ganz genau, der auch nur annähernd den Generationenvertrag kennt. Es handelt sich nicht um Ersparnisse und Reserven, die angelegt wurden, als man noch berufstätig war, nein, das Geld wird von allen derzeitig Erwerbstätigen erwirtschaftet. Wer also mehr Rente fordert, meint entweder, dass die Erwerbstätigen zu wenig erwirtschaften oder dass ihm schlicht und einfach mehr vom Kuchen zusteht. Gerade in Zeiten der Krise scheinen beide Positionen wenig angebracht.

Warum, liebe Rentner, nicht einfach mal selbstlos nach mehr Bildung für alle schreien? Warum nicht für Werte eintreten, die sich nicht in Ziffern auf dem eigenen Konto darstellen lassen, sondern einfach nur nötig sind, weil sie gut sind? Warum nur an das Jetzt denken und nicht an die Zukunft? Wo zeigt sich das Plus an Charakter oder Weisheit, dass euch von der Jugend abhebt? Mehrhabenwollen ist sicher keine Tugend, für die es sich zu kämpfen lohnt. Jesus hätte seinem Rentnervater sicher einen ganz einfachen Satz entgegnet: Geben ist seliger als nehmen. Und auch mit 100 hat man doch wohl sicher noch mehr zu geben als seinen Senf zur leidigen Rentendebatte.

4 Antworten

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  1. godwi said, on Juni 7, 2009 at 1:07 pm

    Schön geschrieben, inhaltlich möchte ich sogar zustimmen. Nur: Parteien haben die Aufgabe, parteiisch zu sein. Deshalb fordern sie Dinge, die dem eigenen Vorteil dienen. Insofern darf von einer Seniorenpartei keine Uneigennützigkeit erwartet werden.

    Godwi

  2. felixander said, on Juni 7, 2009 at 1:24 pm

    Nein, das sehe ich anders. Die Grünen beispielsweise (zumindest von ihrer Grundausrichtung her) fordern ja gerade Dinge, die die gesamte Gesellschaft betreffen und die ganz und gar nicht nur eigennützig sind.

  3. Godwi said, on Juni 8, 2009 at 7:36 pm

    Ich weiß wie du das meinst, und diese Sichtweise ist mir ja auch sympathisch. Aber es ist keine Frage der Sichtweise, sondern wirklich einzig und allein per Definition der Zweck einer Partei:

    „Die Politische Partei (v. lat.: pars, partis = Teil, Richtung) ist ein auf unterschiedliche Weise organisierter Zusammenschluss von Menschen, die innerhalb des umfassenderen politischen Verbandes (Staat o.Ä.) danach streben, politische Macht und die entsprechenden Positionen zu besetzen, um ihre eigenen sachlichen oder ideellen Ziele zu verwirklichen und/oder persönliche Vorteile zu erlangen.“ (Wikipedia)

    Es ist im Übrigen nicht verwerflich, sich auf die eigenen Ziele zu beschränken, solange das in einer Demokratie geschieht. Politik in einer Demokratie zu machen, bedeutet auch, zu wissen, dass Bereiche, die die eigene Partei nicht abdeckt, von anderen Parteien betreut werden.

    Und da du Die Grünen erwähnst: Was sie fordern (Umweltschutz, Verantwortung gegenüber der Natur, Selbstbestimmung der Menschen, erweiterte Gerechtigkeit, lebendige Demokratie) mag dir richtig erscheinen und in dir den Eindruck erwecken, es sei zum Wohle aller Menschen der richtige Weg. Das denke ich, nebenbei bemerkt, selbst auch. Aber es ist durchaus vorstellbar, andere Werte höher einzustufen sein könnten, und schon stehen die Ideale der Grünen nicht mehr als etwas da, was allen Menschen gut tut. So wäre eine religiöse Partei denkbar, die die Meinung vertritt, dass ein autoritärer Gott genauer weiß, was für uns gut ist. Wenn dieser Gott Dinge fordert, die in Widerspruch zum Weltbild der Grünen stehen, wird ein Anhänger der religiösen Partei niemals anerkennen, dass die Grünen uneigennützig handeln. Auch ein Wirtschaftsliberaler, der die Sichtweise vertritt, dass an alle gedacht ist, wenn jeder an sich selbst denkt, kann mit dem Konzept der erweiterten Gerechtigkeit nichts anfangen. Und eine sozialistische Partei, die dem Wohle der Menschen dienen will, indem sie Produktionsmittel verstaatlicht, damit niemand durch die Ausbeutung seiner Arbeitskraft versklavt werden kann, wird grüne Wirtschaftspolitik als neoliberal und damit als reaktionär wahrnehmen.

    Was ich sagen will, ist nur: Auch das grüne Programm vertritt sehr spezielle Interessen. Das ist in Ordnung, aber man muss wissen, was man vor sich hat.

    Politik ist Interessenvertretung. Nichts sonst.

    Godwi

    • felixander said, on Juni 8, 2009 at 7:49 pm

      Interessenvertretung gut und schön, aber sich auf so ein spezielles Interesse einer ganz speziellen Gruppe zu beschränken, find ich schlecht. Auch bei der Piratenpartei beispielsweise. Da fehlt ein Weltbil oder ähnliches dahinter.


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